Sharjah – Die Geschichte einer Stadt Teil 2
Weitere Werke des Autors: The Fragmentation of the Omani Empire (1989) The British Occupation of Aden (1990) Meine frühen Lebensjahre (2011) Stürmische Zeiten (2012) Die Jahre der Konsolidierung (2013) Kultur, Bildung und Wandel (2014) Unter der Flagge der Besatzer (2015) Sharjah – Die Geschichte einer Stadt (2016) Machtkämpfe und Handel in der Golfregion 1620–1820 (2017) Der Mythos arabischer Piraterie im Golf (2018)
Sharjah – Die Geschichte einer Stadt Teil 2 Sultan bin Muhammad al-Qasimi Übersetzt von Stefanie Kuballa-Cottone Georg Olms Verlag Hildesheim · Zürich · New York 2019
Alle Abbildungen in diesem Buch stammen aus dem Privatarchiv des Autors. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar Die arabische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »Sirat madina« bei Al Qasimi Publications. Copyright © 2017 by Sultan bin Mohammed al-Qasimi Die deutsche Übersetzung folgt der englischen Ausgabe »Tale of a City – Part II« Aus dem Arabischen ins Englische übersetzt von Dr. Ahmed Ali. Herausgegeben von Dr. David Wilmsen. Al Qasimi Publications, Sharjah 2018. Copyright © 2017 by Sultan bin Mohammed al-Qasimi Georg Olms Verlag AG, Hildesheim 2019 www.olms.de Printed in Germany Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Übersetzt von Stefanie Kuballa-Cottone Redaktion: Beate Bücheleres-Rieppel Satz: Satzstudio Winkens, Wegberg Umschlaggestaltung: Anna Braungart Herstellung: Hubert & Co., Göttingen ISBN 978-3-487-08613-2
Inhalt Vorwort 7 1. Der Bau eines Flugplatzes in Sharjah 11 2. Mineral- und Ölvorkommen in Sharjah 37 3. Pockenepidemie in Sharjah 53 4. Sharjah und Palästina 65 5. Zusicherungserklärung 81 6. Sharjah im Zweiten Weltkrieg 93 7. Eine Militärbasis in Kriegszeiten 119 8. Amerikaner in Sharjah 131 9. Vom zivilen Flugplatz zur Militärbasis 151 10. Die Bestrafung der Stadt 167 11. Die Gesänge der Stadt 183 Quellen 205 Personenregister 211
Vorwort Unter der Herrschaft von Shaikh Sultan bin Saqr bin Rashid al-Qasimi gelangte der in Sharjah ansässige Stamm der Qawasim auf den Höhepunkt seiner Macht und erreichte seine maximale territoriale Ausdehnung. Sein Gebiet erstreckte sich von der westlich gelegenen Siedlung Al-Mamzar bis Khatm Malaha im Osten und in nördlicher Richtung bis zu den Inseln Große und Kleine Tunb, Abu Musa, Sirri und Sir Abu Nu’air und weiter bis nach Lingah an der persischen Küste. Die Hauptstadt des Landes unter der Herrschaft von Shaikh Sultan war Ra’s al-Khaimah. Im Jahr 1809 wurde Shaikh Sultan von den Sa’udis in Dir’iyyah in eine Falle gelockt und gefangen genommen. Sharjah und Ra’s al-Khaimah fielen an Shaikh Hassan bin Rahmah. Als Shaikh Sultan drei Jahre später die Flucht gelang, sah er sich seiner Hoheitsgebiete beraubt und suchte in Lingah an der persischen Küste Zuflucht, während britische Streitkräfte seine Gebiete unter Beschuss nahmen. 1813 gelang es ihm, Sharjah zurückzugewinnen, und er machte es zu seiner Hauptstadt. Der Konflikt zwischen Hassan bin Rahmah, Herrscher von Ra’s al-Khaimah, und den Briten dauerte zehn Jahre an und endete damit, dass die britischen Streitkräfte die Stützpunkte der Qawasim in Schutt und Asche legten und danach die gesamte 7
arabische Küste besetzten. Sie zwangen den Qawasim ein Abkommen auf, das von den britischen Imperialisten euphemistisch als Friedensvertrag bezeichnet wurde, in Wahrheit aber einer vollkommenen Unterwerfung unter die britische Besatzung gleichkam. Im Oktober 1821 wurde Ra’s al-Khaimah an Shaikh Sultan bin Saqr zurückgegeben, der es an Sharjah angliederte. Dann ernannte Shaikh Sultan seinen Sohn, Shaikh Ibrahim bin Sultan, zum Vize-Regenten über Ra’s al-Khaimah. Seinen Bruder, Shaikh Saleh bin Saqr, wies er an, in Sharjah eine Festung zu bauen, die als Regierungssitz dienen solle. In den folgenden 45 Jahren wurde Sharjah Schauplatz bedeutender historischer Ereignisse, darunter Staatsstreiche sowie anti-britische und anti-imperialistische Aktionen, von denen ich in meinem Buch Unter der Flagge der Besatzer berichtet habe. Als das Oberhaupt der Qawasim, Shaikh Sultan bin Saqr alQasimi, im April 1866 starb, teilten seine beiden Söhne, Khalid und Ibrahim, die bisher als Vize-Regenten ihres Vaters agiert hatten, die Herrschaftsgebiete von Sharjah und Ra’s al-Khaimah unter sich auf. In den folgenden Jahrzehnten wurde Sharjah erneut von Staatsstreichen erschüttert und versuchte sich der imperialistischen Bestrebungen der Briten zu erwehren. Aufgrund von zeitlichen Zwängen – das Buch sollte vor der Eröffnung der Internationalen Buchmesse in Sharjah 2016 erscheinen – beschränkte ich mich im ersten Teil von Sharjahs Stadtgeschichte auf sechs Kapitel, in denen ich die Ereignisse bis zum Jahr 1932 schilderte. Der nun vorliegende zweite Teil, Sharjah – Die Geschichte einer Stadt, Teil 2, knüpft an den ersten Band an und vermittelt 8 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt
ein detailliertes Bild einiger Entwicklungen, die für Sharjah und die Golfregion zwischen 1932 und 1951 von großer Bedeutung waren. Das Buch, das anlässlich der Internationalen Buchmesse in Sharjah 2017 vorgestellt wurde, offenbart auch, wie schlecht die Herrscher von Sharjah und die Bevölkerung der Stadt in diesem Zeitraum von den Briten behandelt wurden. Ist damit das Ende der fesselnden Geschichte Sharjahs erreicht? Weit gefehlt! Was in den darauffolgenden Jahren in Sharjah geschah, können Sie in dem Band Meine frühen Lebensjahre nachlesen. 9 Vorwort
1 Der Bau eines Flugplatzes in Sharjah
Nach der Ratifizierung des »Sharjah Air Station Agreement« [Abkommen über einen Flugplatz in Sharjah] am 22. Juli 1932 stellte sich heraus, dass die für den Beginn der Bauarbeiten notwendige Summe von 10.000 Rupien am 11. Juli 1832 als Vorauszahlung an den Political Agent in Sharjah, Eissa bin Abdullatif, gegangen war. Dieser sollte das Geld in Raten an den Herrscher von Sharjah, Shaikh Sultan bin Saqr al-Qasimi, weiterleiten. Mit Beginn der Bauarbeiten machten in Sharjah viele Gerüchte die Runde, die behaupteten, Eissa bin Abdullatif verwende das Geld eigenmächtig für persönliche Zwecke. Als der Political Agent in Kuwait, H. Dickson, der das Sharjah Air Station Agreement unterzeichnet hatte, dazu befragt wurde,1 schrieb er als Antwort einen Brief mit Datum vom 4. August 1932 an den Außenminister von Britisch-Indien. Darin führte er unter anderem folgende Punkte an:2 1. Macht und Einfluss des Political Agent, Eissa bin Abdullatif, an der Küste seien enorm. 13
2. Das Gehalt, das Eissa bin Abdullatif erhalte, decke seine Arbeit für das Flughafen-Projekt nicht ab. 3. Eissa bin Abdullatif schätze Shaikh Sultan auf persönlicher Ebene sehr. Er glaube, dass dies möglicherweise nicht gut für ihn sei und er im Laufe der Zeit durch einen britischen Beamten ersetzt werden würde. 4. Der Political Agent sei eine starke Persönlichkeit und ein liebenswerter Mensch, der von ganzem Herzen auf der Seite der Briten stehe. Sein Einfluss an der gesamten Küste werde immer von unschätzbarem Wert sein, und die Briten hätten in Zukunft keinen Ärger zu befürchten. Shaikh Sultan bin Saqr al-Qasimi jedoch hatte bereits Vorbereitungen für den geforderten Bau des Flugplatzes von Sharjah getroffen, noch bevor das Abkommen mit den Briten unterzeichnet war. Schon am 26. Juli 1932 ließ der Shaikh 20 Boote mit Kies und Gestein von der Insel Tunb kommen, und im Hafen der Insel lagen weitere 13 Boote, die ebenfalls mit Steinen beladen wurden. Die Briten hatten ihrerseits die Ankunft von Captain Mackay für den 12. August 1932 anberaumt, er sollte drei Wochen in Sharjah bleiben. Auch würden britische Kriegsschiffe, wie im Abkommen vereinbart, die Gegend in den Monaten Juli und August regelmäßig besuchen. Die Briten erklärten sich darüber hinaus einverstanden, Shaikh Sultan bin Saqr 40 Gewehre plus drei Gewehre in Reserve sowie 200 Kugeln zu überlassen. Damit sollten die Flughafen-Wachen bewaffnet werden, die Shaikh Sultan einsetzen wollte. Die Briten entschieden außerdem, eine Telegrafenstation 14 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt
in Sharjah einzurichten. Aus Sorge, Shaikh Sultan könne dies nicht erlauben, da es nicht Teil des Abkommens war, beschlossen sie, ihm zu erklären, die Telegrafenstation gehöre Imperial Airways.3 Am Vorabend des 29. August 1932 legte die HMS Bideford aus Bushehr in Sharjah an. An Bord befand sich der Political Resident der Golfregion, Lieutenant Colonel Trenchard Fowle, in Begleitung von Captain Denison, der an den Verhandlungen beteiligt gewesen war, die zur Unterzeichnung des Air Station Agreement geführt hatten. Noch an Bord instruierte Captain Denison den Political Resident hinsichtlich einiger einflussreicher Persönlichkeiten Sharjahs. Am Morgen des 30. August traf Captain Mackay, der sich in Sharjah aufhielt, mit dem Political Resident zusammen und teilte ihm mit, dass der Political Agent bin Abdullatif, der sich im Auftrag von Shaikh Sultan um die Angelegenheiten rund um die Errichtung des Flugplatzes in Sharjah kümmerte, die Geldmittel nicht optimal verwendet habe, im Gegenteil: Den Großteil verwende er zu seinem eigenen Nutzen, und wenn es beispielsweise um die Entlohnung der Kulis (Arbeiter) ginge, sei er mehr Hindernis als Hilfe. Daraufhin sprach der Political Resident mit Eissa Abdullatif und informierte ihn über die von Captain Mackay vorgebrachten Beschwerden. Danach nahm der Political Resident im Golf offiziell Kontakt zum Herrscher von Sharjah, Shaikh Sultan, auf. Im Hinblick auf die Gelder, die der Shaikh für den Bau des Flughafens verwenden sollte, entschied der Political Resident, das noch bei Eissa Abdullatif verbliebene Geld diesem wegzunehmen und über Captain Mackay direkt an Shaikh Sultan bin 15 Der Bau e ines Flugplatzes in Shar j ah
Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt 16 Saqr auszubezahlen. Die Rechnungen über alle bereits getätigten Ausgaben würde der Shaikh ebenfalls erhalten. Zusätzlich gab der Political Resident Shaikh Sultan bin Saqr 5.000 Rupien zur Verwahrung. Es wurde auch vereinbart, dass Humaid bin Kamil, der sowohl der für den Shaikh zuständige Vertrauensmann als auch der Assistent von Captain Mackay war, nach Bedarf finanzielle Mittel vom Shaikh bekommen werde. Sonst werde an keine andere Person Geld bezahlt. Sowohl Captain Mackay als auch Humaid bin Kamil sollten ihre wöchentlichen Ausgaben sammeln und sie dem Shaikh geordnet vorlegen, damit dieser überprüfen könne, wie viel er noch abzudecken habe. Am Ende des Treffens zwischen dem Political Resident und Shaikh Sultan erhielt Letzterer von Ersterem 1000 Rupien als Extra-Zahlung für die Monate Juli und August. Man zeigte dem Shaikh die Flughafenpläne, zu denen auch ein Bauwerk gehörte, das als Festung mit hohen Mauern beschrieben wurde. Alles, was der Kompanie gehörte, einschließlich der Büros, würde sich innerhalb der eingezäunten Festung befinden. Die Flugzeuge stünden während ihres Aufenthalts in Sharjah in einem überwachten Bereich. Die Frage nach der Sicherheit des Flughafens wurde ebenfalls erörtert. Ausrüstung und Gerätschaften, so war gesagt worden, seien auf dem Weg nach Sharjah.4 Shaikh Sultan bin Saqr und die Einwohner Sharjahs rechneten mit der Ankunft der RMS Bandra aus dem kuwaitischen Hafen Sha’biyya am Donnerstag, dem 22. September 1932. An jenem Tag hatte Shaikh Sultan seit den frühen Morgenstunden eine ausreichend große Zahl an arbeits-
Der Bau e ines Flugplatzes in Shar j ah 17 willigen Männern und Booten bereitgestellt. Sie alle warteten auf die Ankunft des Schiffs, das mit den Gerätschaften, den Zelten von Imperial Airways sowie den Gewehren und der Munition für die Wachen beladen war. Als die Bandra nach Sonnenuntergang immer noch nicht eingetroffen war, holte der Shaikh seine Boote in den Creek zurück und schickte die Arbeiter nach Hause. Der Grund für die Verspätung war ein heftiger Nordwestwind. Die RMS Bandra kam am Freitagnachmittag, 23. September 1932, um Viertel nach zwei in Dubai an. Um 4 Uhr ankerte sie gut zwei Kilometer vor der Küste und entlud dort rasch die für Sharjah bestimmte kleine Lieferung. Abends um 9 Uhr verließ die Bandra Dubai und nahm Kurs auf die Insel Hengam. Die Arbeiter aus Dubai verluden die Fracht auf Dubaier Boote und brachten sie nach Sharjah. Zu diesem Zeitpunkt standen die Flughafen-Bauarbeiten still, weil es in der ganzen Region keinen Zement gab und nicht klar war, wann wieder welcher eintreffen würde. Zudem war der für den Flughafenbau verwendete Stromgenerator ausgefallen. Glücklicherweise hatten die englischen Ingenieure einen kleinen Generator, der seinen Zweck erfüllte. Es hieß, der neue Generator werde am 29. September 1932 eintreffen. Am 5. Oktober 1932 landete um 4 Uhr nachmittags die erste Imperial-Airways-Maschine aus Gwadar. Es handelte sich um das in Großbritannien gebaute Flugzeug Hanno, das vier Passagiere an Bord hatte und mit Apparaten und Ersatzteilen voll beladen war. Die Ankunft der Hanno versetzte die Einwohner Sharjahs, die zusammen mit Shaikh Sultan bin Saqr gewartet hatten, in helle Aufregung. Nach einer sicheren Landung wurde
das Flugzeug in den mit Stacheldraht umzäunten Hangar gezogen. Shaikh Sultan bin Saqr al-Qasimi kam mit den übrigen Würdenträgern Sharjahs und einigen Einwohnern hinzu, um das Flugzeug zu bewundern. Die Passagiere wurden in Zelten untergebracht, die möbliert und mit allem Komfort ausgestattet waren. Die Hanno setzte ihren Flug am 6. Oktober 1932 fort und flog nach Manamah in Bahrain. Am 7. Oktober 1932 landete die Hannibal aus Bahrain in Sharjah. Der Wachdienst, den der Shaikh für den Flughafen vorgesehen hatte, umfasste 37 mit Ordonnanzgewehren bewaffnete Männer. Die HMS Triad war gegenüber von Sharjah vor Anker gegangen, und ihr Kommandant war bei allen Starts und Landungen in Sharjah anwesend. Dieser ranghohe Marineoffizier stattete Shaikh Sultan bin Saqr in der Festung von Sharjah einen Besuch ab. Nach dem offiziellen Empfang in der oberen Etage des Forts, begaben sich alle in den Vorhof, wo zur Feier des Tages ein Reitturnier abgehalten wurde. In Anbetracht des Zustands, in dem sich die Pferde befanden, war es eine ziemlich armselige Vorführung, aber der Shaikh stieg persönlich aufs Pferd und demonstrierte anschaulich, was für ein erstklassiger Reiter er war. Die Bewachung des Areals und der Flugzeuge wurde dem Bruder des Herrschers anvertraut, Shaikh Muhammad bin Saqr. Dies war von großer Bedeutung. Sharjahs Funkstation, die das britische Luftfahrtministerium eingerichtet hatte, versah vom Flughafen aus erfolgreich ihren Dienst. Sie verwendete Langwelle 900 und Kurzwelle 45 und besorgte die Abwicklung des Luftverkehrsdienstes. Die Etablierung 18 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt
eines Funkdienstes in Sharjah unter dem Dach einer dauerhaften britischen Betreibergesellschaft bedeutete, dass wichtige ankommende und ausgehende Nachrichten in Sharjah bearbeitet werden würden.5 Die Flughafen-Baustelle machte nur dann befriedigende Fortschritte, wenn Captain Mackay vor Ort war, allerdings besuchte er Sharjah nicht regelmäßig. Trotzdem schrieb er einen ausführlichen Bericht über Eissa Abdullatif, Shaikh Sultan bin Saqr alQasimi, Sharjahs Würdenträger und den Fortschritt der Bauarbeiten des Flughafens von Sharjah: »PROTOKOLL ZUM VERHALTEN DER HONORATIOREN VON SHARJAH WÄHREND DER ERSTEN MONATE DES BAUS DES GÄSTEHAUSES – VERFASST VON CAPTAIN K. MACKAY, AUFSICHTFÜHRENDER INGENIEUR. 1. Der folgende Bericht basiert im Wesentlichen auf den Notizen von NATHA SINGH, einem Sikh vom Volk der Jat, der vom Baudezernat speziell zur Beaufsichtigung der Bauarbeiten bestellt wurde, sowie auf meiner Erinnerung an die zahlreichen Termine. Meine Gespräche mit Nicht-Englischsprachigen fanden stets mit Unterstützung von Dolmetschern statt. Diese waren: NATHA SINGH, DAVID, mein assyrischer Diener, und HUSSAIN, der Dolmetscher von Political Agent K.B. ISSA. Allerdings habe ich gelegentlich auch auf die Dienste verschiedener indischer Küstenbewohner zurückgegriffen. 2. Ich habe mich durchgängig bemüht, die wichtigeren Unterhaltungen und Aussagen festzuhalten und sie mit Datum zu versehen. Darüber hinaus habe ich viele Gespräche mit Einheimischen aller Ethnien und aus allen Bevölkerungsschichten geführt, was zweifellos 19 Der Bau e ines Flugplatzes in Shar j ah
meine Meinung beeinflusst hat, da sie die im Bericht dargelegten Tatsachen stützten. 3. Um die Schwierigkeiten, die ich anfangs zu bewältigen hatte, besser nachvollziehbar zu machen, weise ich darauf hin, dass ich – soweit bekannt – der erste Europäer mit einem mehr oder weniger ständigen Wohnsitz an der Vertragsküste war und dass mit dem Bau des Gästehauses zum ersten Mal seit mehreren Jahrhunderten eine europäische Regierung an der Küste wieder einen festen Stützpunkt einrichtete. Daher wurde meine Ankunft von der Bevölkerung mit einer Mischung aus Misstrauen und gebanntem Interesse verfolgt. 4. Am 10. August 1932 erreichte Natha Singh mit Material zur Feldbefestigung und anderen Vorräten SHARJAH an Bord der Slow Mail. Mit einer Verzögerung von etwa acht Stunden konnte das Material in Dhaus umgeladen und an die Küste gebracht werden. Die Ursache für die Verzögerung war – wie später vom Vertreter der B.I.S.N. Company in DUBAI, einem Inder namens METHA berichtet – der Wunsch von ABDUL RAHMAN, einem Cousin von ISSA, seine Privat-Dhaus für diese Aufgabe zu benutzen statt der Dhaus, die der B.I.-Vertreter normalerweise anmietet. 5. Am 11. August suchte Natha Singh in Begleitung von Hussain Shaikh Sultan auf. Alle Brüder des Shaikhs waren anwesend. In der Unterredung ging es um das Gästehaus. Auf Nachfrage teilte HUSSAIN mit, dass es sinnlos sei, ernsthaft mit den Bauarbeiten zu beginnen, bevor die Perlenschiffe zurück seien, und dass derartige Kuli-Arbeit, sofern in SHARJAH verfügbar, eine Rupie am Tag koste, Handwerker entsprechend mehr; ein Maurer beispielsweise koste pro Tag 5 Rupien oder mehr. Später inspizierte Natha Singh die Steine, die herbeigeschafft worden waren, und fand nur eine geringe Menge minderer Qualität. 20 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt
Am 12. August besuchten der Shaikh und seine Brüder frühmorgens Natha Singh und sprachen über die anstehenden Arbeiten. Sie wurden gefragt, welche Abmachungen bezüglich der Materiallieferungen generell getroffen worden seien und welche Mengen der leitende Maurer des Shaikhs für erforderlich halte, nachdem dieser den Plan habe begutachten können, den ihm der leitende Ingenieur bei seinem letzten Besuch überlassen hatte. Der Shaikh erwiderte, er habe keinen Maurer, habe keinen Plan gesehen und kein Material bestellt: ISSA habe ihm gesagt, dass er (ISSA) sich um alles kümmern werde. Während dieses Gespräch im Gange war, traf ich per Flugboot ein. Ich begab mich zu ISSAS Haus, wo ich unter anderem auf den Shaikh, Natha Singh und Issa traf. Ich erhielt einen kurzen Bericht von Natha Singh und bat den Shaikh und Issa, so bald wie möglich Arbeitskräfte zu beschaffen. Ich begutachtete den Flugplatz, steckte das Areal des Gästehauses ab und sah mir die Steine an. Ich stellte fest, dass für die Anlieferung der Steine der (zum Laster umfunktionierte) Ford Bus benutzt wurde, der – wie ich von Issa während der Vertragsverhandlungen erfahren hatte – nicht für den Bau des Rasthauses eingesetzt werden durfte, da er einem Konsortium gehörte, dessen Hauptanteilseigner Shaikh Sultan war. Da der Shaikh dem Bau des Gästehauses ablehnend gegenüberstand, würde er nicht erlauben, dass ich den Bus dafür benutzte. Ich befragte daher Issa und Hussain dazu und erfuhr, dass er seine Anteile an den Rest des Konsortiums verkauft hatte, mit dem vertraglich vereinbart wurde, die für den Bau des Gästehauses erforderlichen Steine und Gerätschaften zu transportieren. Des Weiteren gab Issa mir zu verstehen, dass es ihn viel Mühe gekostet hatte, den Shaikh zur Unterzeichnung des Vertrags zu bewegen und damit den 21 Der Bau e ines Flugplatzes in Shar j ah
für die Arbeiten so wichtigen Transport sicherzustellen. Noch am selben Tag verließ ich Sharjah und reiste per Flugboot nach Ra’s al-Khaimah wegen eines Kostenvoranschlags für ein Treibstofflager und kehrte erst am Abend des 14. [August] zurück. 6. Unterdessen, am 13. August, schickte Issa einen Tindal, der ein Verwandter von ihm war (2,8 Rupien pro Tag) und vier Kulis (1 Rupie pro Tag) zu Natha Singh. Mit ihnen wurde das Abstecken des Gästehaus-Areals, der Wehrposten und der Drahtsperren in Angriff genommen. Sowohl Issa als auch der Shaikh wurden bei ihrem Besuch der Baustelle von Natha Singh gebeten, mehr Arbeitskräfte zu beschaffen. Natha Singh war zu diesem Zeitpunkt zu der Überzeugung gekommen, dass die Dinge nicht gut liefen: Er hatte nämlich von mehreren indischen Händlern, die ihn besucht hatten, erfahren, dass es in der Stadt eine Menge Arbeitskräfte gebe, je nach Art der Arbeit für vier bis acht Annas* am Tag, und außerdem gehört, dass Issa durchaus Arbeitskräfte beschaffen konnte, wenn er wollte, da in Wahrheit in der Stadt nicht Shaikh Sultan das Sagen hatte, sondern Issa. 7. Nach meiner Rückkehr berichtete Natha Singh mir am 15. [August], was vorgefallen war. Ich kam zu dem Schluss, dass die scheinbare Unfähigkeit Issas, den Shaikh zur Beschaffung von Arbeitskräften zu bewegen, politische Gründe haben müsse. Da ich mich aber in diese Angelegenheit nicht einmischen wollte, erklärte ich Issa am 16. die Dringlichkeit der Arbeiten und bat darum, unverzüglich Arbeitskräfte bereitzustellen. Hussain erklärte, der Shaikh wolle nicht den Tageslohn der Kulis von einer Rupie bezahlen, und diese würden nicht für weniger arbeiten. Am 17. tauchten etwa 22 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt * Ein Anna entspricht 1/16 Rupie.
10 oder 12 zusätzliche Männer für die Bauarbeiten auf. Der Tindal setzte mich darüber in Kenntnis, dass der Shaikh sie geschickt habe, für 12 Annas am Tag. Nach ungefähr zwei Stunden legten diese Männer die Arbeit nieder und sagten, sie würden nicht für weniger als eine Rupie am Tag arbeiten. Von einem der Kulis erfuhr ich, dass nicht der Shaikh, sondern Hussain sie geschickt habe. Am 18. wurde mir klar, dass etwas unternommen werden musste, und wenn Issa mir nicht helfen konnte, musste ich eben selbst tätig werden. Also ging ich mit Natha Singh zum Shaikh, legte ihm die Dringlichkeit der Situation dar und bat ihn um Hilfe. Er schickte mir unverzüglich 24 Männer, die gleich eingesetzt wurden. Am 19. erkundigte ich mich bei dem Tindal, welchen Lohn die neuen Männer vom Shaikh bekämen, da ich damals davon ausging, dass der Shaikh alle Zahlungen übernehmen werde und ich diese lediglich als »gerecht und angemessen« bestätigen müsse. Ich erhielt die Auskunft, es werde eine Rupie am Tag bezahlt. 8. An jenem Abend kam der Shaikh zur Baustelle, um den Arbeitsfortschritt zu begutachten. Ich sagte ihm, dass ich wisse, dass auf dem Basar der Tagelohn unter 8 Annas liege, und dass ich eine derart groteske Überbezahlung nicht dulden könne. Er erwiderte, er wisse nicht, wie viel den Kulis bezahlt werde, Issa kümmere sich um all das, ein Tagelohn von einer Rupie am Tag sei viel zu hoch und ich solle doch Issa bitten, den Lohn zu senken, da er (der Shaikh) bezahlen müsse, was Issa forderte, so viel es auch sei. Also traf ich mich an jenem Abend mit Issa und teilte ihm mit, dass ich keine Vorauszahlungen an den Shaikh erlauben werde, wenn der Lohn der Kulis nicht auf 12 Annas pro Tag gesenkt werde. Er antwortete, es sei unmöglich, zu diesen Konditionen Arbeiter zu finden; er wolle nicht dafür verantwortlich sein, wenn die Arbeit darunter leide, und 23 Der Bau e ines Flugplatzes in Shar j ah
betonte erneut, die Lage auf dem Arbeitsmarkt werde sich erst bessern, wenn die Perlenflotte zurückgekehrt sei. Dann fragte ich ihn nach den 10.000 Rupien, die ihm auf meinen Rat als Vorauszahlung für den Shaikh überlassen worden waren. Ich erfuhr, dass Isssa über 6.000 Rupien für die Bauarbeiten ausgegeben hatte, beim Shaikh jedoch nichts angekommen war. Sofort forderte ich detaillierte Informationen hierüber und eine Erklärung, warum die Ausgaben ohne mein Wissen getätigt worden waren. Issa erklärte mir, er habe das Geld ausgegeben, um die Bauarbeiten voranzubringen, und Material gekauft; er werde eine Abrechnung anfertigen. 9. Da wurde mir einiges klar: (i) Der Shaikh hatte weder Kontrolle noch Informationen über die Gelder, die die Regierung Issa anvertraute, um sie ihm (dem Shaikh), wie von mir empfohlen, vorzustrecken. (ii) Issa hatte, ohne dazu befugt zu sein, mit Geld aus diesem Vorschuss Ausgaben bestritten. (iii) Issa trieb den Preis für die Arbeitskräfte in die Höhe. Der Grund für den letztgenannten Punkt offenbarte sich bald. Indische Händler berichteten Natha Singh und ein arabischer Händler erklärte mir, dass Issa vorhabe, die Arbeiten hinauszuzögern, bis die Perlenschiffe zurückkehrten, um seine Perlentaucher als Arbeitskräfte auf die Baustelle schicken zu können. Normalerweise musste er diese Männer nämlich den Winter über versorgen. Würden sie jedoch für den Bau des Rasthauses eingesetzt, könnte er für jeden einzelnen von ihnen eine Rupie pro Tag beziehen. Dadurch bliebe ihm abzüglich der Kosten für die Verpflegung ein hübscher Gewinn von etwa 12 Annas pro Mann und Tag. 24 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt
10. Am 20. [August] traf ich den Shaikh. Ich erzählte ihm, dass Issa in seinem Namen viel Geld ausgegeben habe, und fragte ihn, ob er davon wisse. Der Shaikh bejahte das: Issa habe ihn informiert und er (der Shaikh) habe Quittungen für Vorauszahlungen unterschrieben, auch wenn er keine Ahnung habe, wofür das Geld ausgegeben wurde. Ich erklärte ihm den Inhalt des Abkommens, und er bat mich, den Political Resident nach Sharjah zu holen, damit er mit ihm sprechen könne. Er betonte, er wolle mit dem Political Resident unter vier Augen sprechen, ohne Issa. Am gleichen Abend gegen 8 Uhr, als ich dabei war, mich in meinem Haus für ein Dinner an Bord der Bideford anzukleiden, zahlte Issa allen Arbeitskräften vor seinem Haus ihre Löhne aus, und einer seiner Diener teilte den Männern mit, dass er ihnen verbiete, in Zukunft für den Shaikh oder für mich zu arbeiten. Sollten sie nach dem Grund gefragt werden, sollten sie sagen, dass sie nicht für weniger als eine Rupie am Tag arbeiten wollten. Zeuge dieser gesamten Szene war mein Diener, der Persisch spricht. Allerdings hat er die Bedeutung dieses Vorfalls zunächst nicht erkannt und mir erst am folgenden Tag davon erzählt, als er von mir hörte, dass keiner der Männer zur Arbeit erschienen war. 11. Am 21. ließ sich überhaupt keiner der Männer auf der Baustelle blicken. Jedoch sprachen viele von ihnen Natha Singh auf dem Basar und andernorts an und sagten ihm, sie würden gerne für 12 Annas am Tag arbeiten, hätten aber Angst vor Issa. Gemeinsam mit Natha Singh ging ich zum Shaikh und fragte ihn, ob er die Auszahlung der Arbeiter autorisiert habe. Er sagte, er habe dazu sein Einverständnis nicht gegeben; er wolle mich und Issa in einer Stunde vor Issas Haus treffen. Also ging ich zu Issa und fragte ihn, warum er die Arbeiter ausbezahlt habe. Er behauptete, die Männer seien zu ihm gekommen und hätten um ihren Lohn gebeten, weil sie 25 Der Bau e ines Flugplatzes in Shar j ah
nicht für 12 Annas arbeiten wollten. Da es besser bezahlte Arbeit gäbe, wollten sie sofort frei sein, um diese bessere Arbeit anzutreten. (Dabei spricht die Tatsache für sich, dass die betroffenen Männer an diesem Tag größtenteils tatenlos auf dem Basar herumsaßen.) Daraufhin fragte ich ihn, warum er mich nicht informierte, als … (unvollständiger Text).«6 Nachdem er den Bericht gelesen hatte, erteilte der Kommandant der britischen Streitkräfte im Golf dem Political Agent in Bahrain, Oberstleutnant Percy Gordon Loch, die Anweisung, sich am 14. Dezember 1932 nach Sharjah zu begeben, um die dortige Lage zu prüfen. Tags drauf, am 15. Dezember, befahl er, selbst vor Ort, alles Nötige in die Wege zu leiten, um die offenen Fragen zum Bau des Flughafens von Sharjah zu klären. Der Befehlshaber der militärischen Einheit, Welsh, war schon am 14. Dezember an Bord eines Amphibienfahrzeugs aus Bahrain im Sharjah Creek eingetroffen. Als Oberstleutnant Loch ankam, wurde er von Eissa Abdullatif und Welsh begrüßt und zu Eissas Haus geleitet. Wenige Minuten später traf auch Shaikh Sultan bin Saqr alQasimi in Eissas Haus ein, um Oberstleutnant Loch zu treffen. Nach einem kurzen Austausch von Höflichkeiten begleitete Shaikh Sultan den Oberstleutnant zur Festung von Sharjah. Gemeinsam mit ihrer Entourage durchquerten sie zu Fuß den Saqr Suq vom nördlichen zum südlichen Tor und gingen dann weiter zum Fort. Danach besuchten sie die Baustelle des Flughafens, wo sie zu Mittag aßen und das gesamte Areal inspizierten. Am Abend des 14. Dezember 1932 schickte Shaikh Sultan bin Saqr eine kurze Nachricht an Loch, in der er um ein weiteres 26 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt
Treffen bat. Bei diesem Treffen war auch Humaid bin Kamil anwesend. Während des Treffens schien Shaikh Sultan mit den bislang geleisteten Arbeiten zufrieden, bat aber auch um Einsicht in die ausführlichen Arbeitsberichte – er investiere hier viel Geld und wisse nicht, wofür genau es ausgegeben werde. Er sagte auch, ein großer Teil des Geldes sei in der Vergangenheit für nutzlose Dinge verschwendet worden. Loch gab zu bedenken, der Abend sei hierfür zu weit fortgeschritten, versicherte aber, er werde Natha Singh, der die Bauarbeiten beaufsichtige, bitten, ihm die Abrechnungen zu zeigen, da Captain Mackay sich wegen einer ärztlichen Behandlung in Basra aufhalte. Nachdem er alle Rechnungen und die zugehörigen Einzelheiten überprüft hatte, kehrte Oberstleutnant Loch am 15. Dezember 1932 in seinem Amphibienfahrzeug nach Bahrain zurück.7 Ebenfalls am 15. Dezember, um 11 Uhr vormittags, legte die HMS Hawkins in Sharjah an. An Bord befand sich neben dem Kommandanten der britischen Streitkräfte eine größere Zahl von im Golf stationierten britischen Marineoffizieren. Zur Mittagszeit kam Shaikh Sultan bin Saqr an Bord der Hawkins, in Begleitung von mindestens 20 Verwandten, um dem Kommandanten seine Aufwartung zu machen. Shaikh Sultan war ein kräftig gebauter Mann von kleiner Statur, dessen anfängliche Zurückhaltung bald einer gewissen Selbstherrlichkeit wich. Am Abend gingen der Kommandant und ranghohe Offiziere an Land, um den Baufortschritt des Flughafens zu begutachten. Sie berieten auch darüber, Captain Mackay einen Stellvertreter zur Seite zu stellen, vor allem für die Zeiten, in denen dieser sich nicht in Sharjah aufhielt. Schließlich wurde Officer Finch, von der britischen Royal Air Force, für diesen Posten ausgewählt.8 27 Der Bau e ines Flugplatzes in Shar j ah
Im Frühsommer 1933 war der Bau des Flughafens abgeschlossen. Zwei Wachtürme waren zu Verteidigungszwecken hinzugekommen; sie wurden mit Geschützen und Munition bestückt sowie mit der nötigen Anzahl an Männern zur Bedienung der Kanonen versehen. Auch die Frage des Treibstofflagers für Imperial Airways konnte geklärt werden. Anfangs wurde der Treibstoff in der Stadt gelagert, was aber auf Dauer keine zufriedenstellende Lösung war. Schließlich konnte man sich mit Shaikh Sultan bin Saqr Al- Qasimi, dem Herrscher von Sharjah, darauf einigen, dass die Anglo-Persian Oil Company (APOC) ein eigenes Treibstoffdepot in Höhe von Al-Jubail am Sharjah Creek bauen werde, unweit des Wracks der Al-Doba. Das Unternehmen brauchte zwölf Jahre lang keine Miete bezahlen; danach würde es monatlich 200 Rupien an Shaikh Sultan überweisen, der der Eigentümer des Depots war. Das Depot hatte ein Fassungsvermögen von 40.000 Gallonen [181.843 Liter]. Der durchschnittliche Verbrauch von Imperial Airways in Sharjah lag bei 4.000 Gallonen [18.184 Liter] im Monat. Das Postamt von Sharjah sollte ebenfalls im Flughafen angesiedelt sein und dem örtlichen leitenden Beamten von Imperial Airways unterstehen. Dieser weigerte sich jedoch, für 30 Rupien im Monat zu arbeiten. Außerdem lehnte sein Vorgesetzter bei Imperial Airways es ab, dass sein Angestellter zusätzliche Arbeiten annahm, die außerhalb seines Fachgebiets lagen. Etwa gleichzeitig mit dem Flughafen eröffnete auch eine Wetterstation. Der Bau der Wohnungen für die indischen Angestellten wurde jedoch auf später verschoben. Das aus fünf Räumen 28 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt
bestehende Gebäude befand sich in der Nähe des Gästehauses, zu dem es auch gehörte. Es sollte im Besitz von Shaikh Sultan verbleiben, auch wenn der Flughafen dereinst nicht mehr in Betrieb sein sollte.9 Am 14. Juni 1933 machte die Hanno auf dem Weg von Großbritannien nach Indien eine Zwischenlandung. An Bord befand sich Lady Willingdon, die Gattin von Lord Willingdon, der von 1931 bis 1936 Vizekönig von Indien war. Der Political Agent hatte Shaikh Sultan bin Saqr al-Qasimi von ihrer Ankunft in Kenntnis gesetzt, und der Shaikh hatte den Wunsch geäußert, sie zu treffen. Shaikh Sultan empfing seinen Gast an der Flugzeugtreppe und geleitete Lady Willingdon zusammen mit dem Political Agent ins Flughafengebäude, wo Shaikh Sultan sie zu einem Besuch der Festung von Sharjah einlud. Sie willigte ein. Als sie am Fort eintrafen, ließ der Shaikh fünf Salutschüsse zu ihren Ehren abfeuern. Dann überreichte er ihr einige Perlen und ein Paar in Indien gefertigte, mit Diamanten besetzte, goldene Fußspangen. Über diese Gaben zeigte sie sich höchst erfreut. Nachdem sie Kaffee getrunken hatten, begleitete sie Shaikh Sultan zum Vorhof der Festung, um einem Pferderennen beizuwohnen, das zu ihren Ehren veranstaltet wurde. Im Anschluss besuchte Lady Willingdon die Political Residency in Sharjah. Auch dort begegnete man ihr mit großer Gastfreundschaft und gebührendem Respekt. Dann begab sie sich in Begleitung des Political Agent zurück zum Flughafen, wo sie die Nacht im Gästehaus verbrachte. Am Morgen des 15. Juni 1933 eilten Shaikh Sultan bin Saqr und der Political Agent, Eissa Abdullatif, zum Flugplatz, um 29 Der Bau e ines Flugplatzes in Shar j ah
Lady Willingdon zu verabschieden, doch sie war bereits abgereist.10 Nachdem der Flughafen voll betriebsbereit war, gewann Sharjah an Bedeutung, da es zum Eingangstor für alle anderen Emirate geworden war. Die meisten Delegationen, die Sharjah oder ein anderes Emirat besuchten, kamen über Sharjah. Shaikh Sultan bin Saqr al-Qasimi wurde für die Engländer zu einer sehr wichtigen Person, und sie versprachen ihm ihre volle Unterstützung. Der Außenminister von Britisch-Indien erklärte am 26. Juni 1933 in einem Brief an den britischen Vize-Minister für indische Angelegenheiten in London, dass aufgrund der Tatsache, dass Sharjah zum Flughafen der Vertragsküste geworden war, der Shaikh von Sharjah derjenige Herrscher sein sollte, der von den Briten am meisten Unterstützung erfahre.11 Vier Monate später änderten die Briten jedoch ihren Umgang mit Shaikh Sultan bin Saqr: Statt Unterstützung gab es Sanktionen von englischer Seite. Am Vorabend des 3. November 1933 traf das Militärschiff der Royal Navy in Sharjah ein. Seine Ankunft war bereits für den Tag zuvor angekündigt worden, aber der Kommandant der britischen Streitkräfte musste den Termin wegen der verspäteten Rückkehr von Shaikh Sultan bin Saqr aus Bahrain verschieben. Shaikh Sultan war zuvor über den Besuch informiert worden. Die Engländer hatten den Shaikh in einem offiziellen Schreiben gebeten, er möge den Kommandanten der britischen Streitkräfte in Indien persönlich empfangen, da dies sein erster Besuch im Golf sei. Trotzdem war Shaikh Sultan nach Bahrain gereist und hatte um Verständnis gebeten, dass es ihm nicht möglich sei, rechtzeitig nach Sharjah zurückzukehren. Zwar kehrte er zurück, 30 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt
aber zu spät. Der Political Agent in Sharjah, Eissa bin Abdullatif, riet ihm, sich für diese Aktion zu entschuldigen, was der Shaikh auch tat. Am 4. November begutachtete der Oberbefehlshaber den Flughafen und die Rollbahn. Er besuchte Officer Finch, Mackays Stellvertreter, im Gästehaus, und dieser begleitete ihn auf sei- nem weiteren Rundgang. Auf einen Besuch bei Shaikh Sultan bin Saqr, der zunehmend an Bedeutung gewann, wurde aber verzichtet. Infolgedessen begab sich Shaikh Sultan an Bord des Royal-Navy-Schiffs. Er begegnete den Engländern mit aus- gesuchter Höflichkeit, aber die üblichen Salutschüsse wurden für ihn nicht abgefeuert. Auch verzichtete der Oberbefehls- haber auf einen persönlichen Gegenbesuch. Kurz darauf beschlossen die Engländer, grundsätzlich keine Salutschüsse mehr abzufeuern, wenn Shaikh Sultan ein britisches Militärschiff besuchte. Diese Entscheidung wurde Shaikh Sultan über Eissa bin Abdullatif mitgeteilt. Shaikh Sultan befürchtete, diese Nachricht könnte sich entlang der Küste verbreiten. Sie hatte bereits all jene erreicht, die sich mit den Beziehungen zwischen den Engländern und den Shaikhs der Vertragsküste befassten. Die Situation wurde aufmerksam beobachtet, insbesondere die Art und Weise des Umgangs von Shaikh Sultan mit den Engländern.12 Hinsichtlich des bereits erwähnten Postamts von Sharjah wurde die Regierung von Britisch-Indien im Frühsommer 1933 gebeten, eine geeignete Person für die Leitung der Poststelle einzustellen, mit einem Monatsgehalt von 30 Rupien. Sollte dies scheitern, würde es sehr schwierig werden, ein funktionierendes Postamt in Sharjah zu betreiben.13 31 Der Bau e ines Flugplatzes in Shar j ah
Ein Jahr später, im Sommer 1934, fand man den geeigneten Mann in Gestalt eines Angestellten der in Dubai und Sharjah tätigen Mesopotamia Persia Corporation Limited. Die Firma war einverstanden, dass einer ihrer Angestellten der Postmeister des Postamts von Sharjah sein würde. Eine passende Unterkunft hatte man zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht gefunden. Einige Wochen später schrieb der Direktor von Imperial Airways an das Büro des Staatssekretärs und an das Londoner Hauptpostamt: »Wir würden es hingegen vorziehen, wenn ein Postamt zur Abwicklung des Luftpostverkehrs eingerichtet werden würde, statt diese Post in Sharjah als Frachtpostamt zu behandeln. Ich empfehle daher, dem Indischen Amt für Post und Telegrafie vorzuschlagen, ein kleines Postamt zu eröffnen, das der Flughafenleitung unterstellt ist und von einem indischen Angestellten geführt wird. Ich denke, Ihr könnt dem Indischen Amt für Post- und Telegrafie mitteilen, dass die Flughafenleitung die Beaufsichtigung des potenziellen Angestellten für einen geringen Lohn (für die erste Zeit jedenfalls) übernehmen würde.«14 Da sich die Eröffnung des Postamts von Sharjah aus verschiedenen Gründen verzögerte, schrieb Captain R. N., ranghoher Marineoffizier im Persischen Golf, den folgenden Brief mit Datum vom 23. Oktober 1934 im Namen der 450 Beamten und Männer, die im Golf ihren Dienst versahen, an das Londoner Hauptpostamt. In dem Brief hieß es: 32 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt
»Verehrter Sir, Ich hoffe, Ihr verübelt es mir nicht, wenn ich Eure Zeit in Anspruch nehme, um Euch eine Angelegenheit vorzutragen, die das Marinepersonal, das im Persischen Golf seinen Dienst verrichtet, in hohem Maße betrifft. Dieser Standort ist hinsichtlich des Klimas und der allgemeinen Gegebenheiten bei Weitem der schlimmste. Briefe sind daher ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Im Rahmen der bestehenden Luftpost-Vereinbarungen müssen wir die Briefe, die wir nach Hause schicken wollen, entweder über Bahrain oder über Basra senden. Unsere gesamte ausgehende Post wird nach Basra gebracht und von dort auf dem Seeweg weiterbefördert. Dies bringt, wie Ihr leicht nachvollziehen könnt, eine beträchtliche Verzögerung mit sich. Unsere Schiffe verbringen den Großteil ihrer Zeit im südlichen Abschnitt des Persischen Golfs und legen regelmäßig in Sharjah an. Wenn es möglich wäre, in Sharjah Luftpost aufzugeben und in Empfang zu nehmen, könnte man enorm viel Zeit sparen. Dies ist jedoch derzeit unmöglich, da es in Sharjah kein Postamt gibt. Welche Absprachen im Detail zwischen Imperial Airways und dem Londoner Hauptpostamt bestehen, weiß ich natürlich nicht, daher kann ich keine konstruktiven Vorschläge unterbreiten, wie die Schwierigkeiten überwunden werden könnten, aber die 450 Beamten und Männer, die hier unter sehr schwierigen Bedingungen ihren Dienst versehen, wüssten es überaus zu schätzen, wenn Mittel und Wege gefunden würden, damit sie ihre Luftpost über Sharjah empfangen und verschicken könnten. Vielleicht könnten ähnliche Vereinbarungen getroffen werden wie im Falle unserer regulären Postschiffrouten: Die Postsendungen, die von Schiffen Ihrer Majestät transportiert werden, befinden sich in 33 Der Bau e ines Flugplatzes in Shar j ah
versiegelten Säcken, die an den Postamtsvorsteher in London adressiert und mit englischen Briefmarken frankiert sind. Es gibt zwar ein Postamt in Dubai – dem an Sharjah angrenzenden Staat –, aber dort können nur gewöhnliche Briefe aufgegeben werden, keine Luftpost. Unter den gegebenen Bedingungen kommt es nicht selten vor, dass eines unserer Dampfschiffe Hunderte von Meilen (z. B. nach Bahrain) fahren muss, wenn dringende amtliche Briefe per Luftpost befördert werden müssen. Ich bin sicher, dass es für Euch leicht nachvollziehbar ist, welch großen Unterschied es für uns bedeuten würde, Luftpost in Sharjah aufgeben und empfangen zu können. Alle betroffenen Schiffe Ihrer Majestät wären während der Aufnahme der Flugroute an diesem Hafen und hätten (und haben) einen entscheidenden Anteil daran, diese Entwicklung aus sicherheitstechnischer Perspektive zu ermöglichen.«15 Im Januar 1935 schrieb der Außenminister im India Office dem Vize-Außenminister in London und informierte ihn über das Thema Postamt in Sharjah und dass das India Office alle Aspekte berücksichtigt habe. Als jedoch Olaf Caroe, der stellvertretende Staatssekretär der Regierung in Indien, bei Oberstleutnant Fowle, dem Political Resident im Golf, nachfragte, wie es um das Postamt für Sharjah bestellt sei, erhielt er folgendes Antwortschreiben mit Datum vom 13. Juli 1935: »Ich habe das Thema Postamt für Sharjah nicht aus den Augen verloren, aber die Angelegenheit wurde durch folgende Umstände verzögert: 34 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt
Das Hauptproblem bestand darin, ein geeignetes Gebäude zu finden, in dem Platz für das Postamt und die Wohnung des Postmeisters ist; dabei darf man nicht vergessen, dass an einem Ort wie Sharjah auch Sicherheitsfragen eine Rolle spielen. Mir kamen zwei Ideen: (a) Das Postamt könnte im Gästehaus von Imperial Airways auf dem Flughafen angesiedelt werden. (b) Man findet ein Haus in der Stadt in der Nähe des Hauses des Political Agent. Dies wäre ein sicherer Ort für das Postamt, aber im Gästehaus ist weder genügend Platz für die Räumlichkeiten des Postamts noch für eine Postmeister-Wohnung. Diese müssten erst gebaut werden, und ich kann nicht erkennen, woher hierfür das Geld kommen sollte. Außerdem ist das Gästehaus 2,4 km von der Stadt ent- fernt. Der Shaikh hat ein mietfreies Haus an der Anlegestelle für die Zollabfertigung angeboten. Dieses Haus wäre von der Lage her für ein Postamt gut geeignet, aber da es etwas vom Haus des Politi- cal Agent entfernt liegt, ist es nicht besonders gut gesichert. Außerdem wäre die Überlassung des Hauses an zwei Bedingungen geknüpft …«16 Die besagten zwei Bedingungen lauteten: a) Eine angemessene Miete wird bezahlt, sobald das Postamt anfängt, Gewinn zu machen, und b) der Transport der Briefe zwischen Flughafen und Postamt sowie ihre Zustellung erfolgt ausschließlich durch Fahrzeuge oder Boote, die Shaikh Sultan gehören. 35 Der Bau e ines Flugplatzes in Shar j ah
Der Political Resident im Golf teilte außerdem mit, er habe »Cole«*, der kürzlich Sharjah besucht hatte, instruiert herauszufinden, ob der Shaikh vorhabe, nicht nur für die Sicherheit des Postamts und seiner Angestellten zu sorgen, sondern auch eine begrenzte Garantie zu geben. Somit hing die Angelegenheit des Postamts von Sharjah in der Luft – zwischen Olaf Caroe auf der einen und Oberstleutnant Fowle und dessen Stellvertreter Loch auf der anderen Seite. 36 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt * George Ashmead Cole, Stellvertreter des Political Agent in Bahrain und de facto Political Agent in Bahrain, da der eigentliche Political Agent pausierte.
2 Mineral- und Ölvorkommen in Sharjah
Sharjahs Wirtschaft begann zu wachsen. Es gab viele neue Stellen für einfache Arbeiter, Techniker, Zimmerleute und Bauarbeiter. Der Bootsverleih boomte, was sich auch positiv auf die Seeleute auswirkte. Das führte dazu, dass die Kaufkraft der Einwohner zunahm. Neue Basare eröffneten, z. B. die Suqs Saqr, Al Arsa und Al Shanasiyah sowie ein überdachter Suq. Die Lebensmittelimporte stiegen, es wurden mehr Schafe und Rinder eingeführt, und die Versorgung des Flughafen-Gästehauses mit Fleisch, Geflügel, Eiern und Fisch musste gewährleistet sein. Auch die landwirtschaftliche Produktion nahm zu. Die meisten Menschen, die in die Emirate an der Küste reisten, mussten über den Flugplatz von Sharjah kommen – es gab sonst keinen Flughafen in der Region. Der Großteil der Passagiere, die es nach Australien und in andere Länder im Osten zog, aber auch jene, die von Westen (Großbritannien) kamen oder von Australien oder Indien dorthin zurückreisten, legte in Sharjah einen Zwischenstopp ein. Reisende, deren Maschinen vor Sonnenuntergang in Sharjah landeten und am nächsten Morgen weiterflogen, verbrachten die Nacht im Rasthaus des Flugplatzes. 39
Auch die Einnahmen der Regierung Sharjahs stiegen. Zusätzlich zu den Einkünften, die der Herrscher von Sharjah, Shaikh Sultan bin Saqr, auf Grundlage des Air Station Agreement bezog, nahm er Geld in Form von Miete ein, die er für die Gebäude oder Büroräume erhielt, welche die Engländer auf dem Flughafengelände und in der Stadt nutzten. Eisenoxid (Mughr) auf der Insel Abu Musa Eine weitere wichtige Einnahmequelle für den Shaikh und seine Untergebenen ergab sich aus einem neuen Abkommen mit den Engländern, denen eine Konzession für den Abbau von Eisenoxid auf der Insel Abu Musa eingeräumt worden war. Es war zuvor festgelegt worden, dass der Marinekommandant a. D. Bayldon am 15. Mai 1934 nach der Einführung und Empfehlung durch den ehemaligen Political Resident im Golf, Sir Percy Cox, eine Konzession zum Abbau von Eisenoxid beantragen solle. Bayldon hatte schon früher mit Cox und J. G. Laithwaite, Abteilungsleiter im India Office in London, zusammengearbeitet, denn es hatte in den Jahren 1923 bis 1928 bereits eine britische Eisenoxid-Konzession gegeben. Vor dem Hintergrund dieser Zeitspanne und ihrer Vorgeschichte lässt sich die Mughr-Angelegenheit auf Abu Musa leichter nachvollziehen. Der vorherige Herrscher von Sharjah, Shaikh Sultan bin Salim al-Qasimi, war zuvor der Stellvertreter des Herrschers – seines Neffen, Shaikh Saqr bin Khalid – gewesen und hatte in dessen Namen gehandelt, wenn dieser nicht vor Ort sein konnte. Am 10. April 1898, während Shaikh Saqr bin Khalid auf einer Pilgerreise (Hajj) nach Mekka war, vergab Shaikh Sultan bin 40 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt
Salim al-Qasimi Schürfrechte für die Insel Abu Musa an Hassan Suma’iyyah und seinen Sohn Abdullatif sowie an Eissa bin Abdullatif, den Sohn des Political Agent in Sharjah. Als der damalige Herrscher von Sharjah zurückkehrte, fand er nichts, was gegen diese Vereinbarung gesprochen hätte, und billigte sie daher. Aus dem offiziellen Schriftverkehr geht hervor, dass die Inhaber der Schürfrechte als britische Untertanen bezeichnet wurden. 1899 war Shaikh Saqr bin Khalid al-Qasimi, Herrscher von Sharjah, über mehrere Monate hinweg persönlich an dieser Konzession beteiligt. Die Konzessionsinhaber schürften einige Monate später systematisch Eisenoxid. Sie hatten vor, ungefähr 50 Arbeiter auf der Insel zu beschäftigen, die das Eisenoxid langsam abtrugen, zu einem Haufen aufschichteten und dann auf Anweisung weiterverwendeten. Im Juni 1906 verkaufte einer der Konzessionsinhaber, Hassan bin Suma’iyyah, Teile seiner Assets an Thomas Brown, einen in Lingah ansässigen Briten. Dieser wiederum transferierte einige Tage später seine Assets teilweise an die deutsche Firma Wönckhaus & Partner in Lingah. Nun befanden sich die Schürfrechte in den Händen von drei Briten, der deutschen Firma Wönckhaus & Partner und Hassan Suma’iyyah in Lingah. Die ganze Sache hatte sich in ein rein kommerzielles Geschäft verwandelt. Der Herrscher von Sharjah wurde darüber informiert, dass Suma’iyyah einige seiner Anteile an der Eisenoxid-Mine an einen Deutschen namens Wönckhaus verkauft hatte. Am 21. Februar 1907 zog Shaikh Saqr bin Khalid al-Qasimi die Konzession zurück, unter anderem mit der Begründung, Hassan Suma’iyyah habe Wönckhaus ohne Zustimmung des Shaikhs an der Konzession beteiligt. 41 Mineral - und Ölvorkommen in Shar j ah
Im Oktober 1907 führte Shaikh Saqr bin Khalid einen Militärverband, bestehend aus seinen eigenen Männern, auf die Insel Abu Musa, mit dem Ziel, die Bergleute zu verjagen und alle Aktivitäten dort zu unterbinden. Das Boot, das die bewaffneten Männer transportierte, wurde jedoch von dem britischen Kriegsschiff Lapwing von der Insel abgedrängt. Angeblich hatte das Schiff Lieutenant Gabriel an Bord, den britischen Vizekonsul in Bandar Abbas. Auf diesen Vorfall folgte eine lange Auseinandersetzung mit der deutschen Regierung, auf deren Einzelheiten ich hier nicht eingehe. Letztlich behauptete jedenfalls Wönckhaus gegenüber seiner Regierung, er habe dadurch, dass die am 1. Juni 1906 getroffene Vereinbarung gebrochen wurde, Verluste erlitten. Die hitzigen Debatten ebbten nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ab. Im November 1921 bestimmte das britische Außenministerium, Wönckhaus besitze keinen Anspruch auf eine neue Konzession für den Abbau von Eisenoxid auf der Insel Abu Musa und dessen Export, obwohl die Forderungen aus der Zeit vor dem Krieg noch nicht geklärt worden waren. Das in Großbritannien ansässige Unternehmen Strick & Co. zeigte vor dem Krieg sehr großes Interesse an einer Konzession für den Abbau von Eisenoxid auf Abu Musa, und hatte in die- ser Angelegenheit Kontakt mit der britischen Regierung aufgenommen. Ende 1921 bekundete die Firma erneut ihr Interesse. Nach Gesprächen mit den zuständigen britischen Stellen sowie der Regierung von Britisch-Indien wurde das Unternehmen am 20. Januar 1922 informiert, dass es mit dem Political Resident verhandeln müsse. Man bat die Firma, eine Erklärung zu unterzeichnen, dass Strick & Co. eventuelle Konzessionen oder Auf42 Shar j ah – Di e Geschi chte e iner Stadt
sheikhdrsultan.aeRkJQdWJsaXNoZXIy OTg0NzAy